12. Chiemgauer 100Km Ultra Berglauf 2016

Mit bester Wetterprognose im Gepäck geht’s gut gelaunt zusammen mit Freundin Heike und Laufkollege Heiko den ich vom Taubertal100 kenne in den Chiemgau zum 100km Ultra Berglauf.

Dreh und Angelpunkt der Veranstaltung ist der Sportplatz vom SV Ruhpolding. Von der Startnummern Ausgabe bis zur Siegerehrung findet alles hier statt. Unsere Unterkunft ist ebenfalls nicht weit entfernt also sind es, abgesehen vom Lauf selbst, kurze Wege.

Beim Check-In am Freitagnachmittag ist der Umgang untereinander von Anfang an sehr freundschaftlich. Zur Nudelparty, die kurz vor dem Racebriefing stattfindet, trudeln immer mehr bekannte Gesichter ein und die Stimmung wird zunehmend familiärer. Jeder kennt hier irgendwie jeden. Ich mag das. Während der großen Raubtierfütterung nutzt der Veranstalter Giselher Schneider, kurz Gi, die Ruhe und beginnt mit dem Racebriefing.

Hier unterscheidet sich dieser Lauf von vielen anderen. Keine Tausend Belehrungen. Pass da auf und nimm das mit, achte darauf und mach dies nicht. Ich höre exakt denselben Satz wie ich ihn schon in der Ausschreibung gelesen habe. „Wer nicht weiß was man zu so einem Lauf mitnehmen soll, möchte bitte zu Hause bleiben,, Klare Ansage von einem Veranstalter mit Schneid. Wer nicht einsieht, dass gewisse Ausrüstungsgegenstände eventuell lebenswichtig und deshalb mitzunehmen sind, dem kann man nicht helfen. Auch nicht mit der Androhung von „Gepäckkontrollen“

Das Wetter in den Bergen kann schnell von angenehm trocken zu regnerisch kalt bis hin zu Schnee oder Hagelsturm mit extremen Temperaturschwankungen wechseln. Gi spricht Klartext, dass uns auf den Trails in den Bergen kein Scotty mit seiner Enterprise in Sicherheit Beamen wird. Wenn wir in den Bergen ein Problem bekommen, dann haben wir ein Problem in den Bergen. Wem das nicht klar ist, der soll nicht starten. Das ist !kein! Einsteiger Lauf.

Die Einstellung finde ich persönlich sehr gut. Das hält wagemutige Helden die zweimal die Woche 15 min mit einer schicker Sonnenbrille und freiem Oberkörper ums Freibad laufen hoffentlich fern.

Start ist Samstag früh um 5:00 Uhr. Gi organisiert sogar für alle ein Frühstück die im eigenen Hotel nichts bekommen. Mit einem halben Ohr bekomme ich am Rande mit, dass ein oder zwei Teilnehmer vermutlich wegen Staus zum Ferien Beginn den Start verpassen werden. Auch kein Problem für Gi, völlig unkompliziert sagt er nur „Auch egal, dann schreiben wir das halt auf und dann starten diese Teilnehmer eben später“. Ich versuche mir gerade vorzustellen wie das wohl bei einem X beliebigen Stadt Marathon abläuft. Sehr Läufer orientiert. Gefällt mir.

Kurz vor dem Start geben wir noch unsere DropBags ab. Die Anzahl und Ablageorte der DropBags sind an jeder Verpflegungsstelle möglich und frei wählbar. Das ist absolut genial, weil man mit der richtigen Strategie sein Laufgepäck klein halten kann. Ich entscheide mich ein zweites paar Schuhe und die Stöcke bei km 42 zu parken, ein frisches Paar Socken und die Stirnlampe warten dann bei km 74 auf mich.

Florian Bachmaier | Foto: chiemgauer100.de

Die Markierung der Strecke ist beispielhaft. Aus Mehl gemahlene Pfeile am Boden und Flatterband an den Ästen der Bäume machen Orientierungsstopps nahezu überflüssig und sorgen für ein schnelles vorankommen.

In groben Zügen erklärt führt die 100 km lange Strecke über die Kaitl Alm um den Rauschberg, weiter zum Unternberg, die Hörndlwand (1684 m ü. NN) zur Jochberg Alm auf den Hochsattel (1547 m ü. NN) weiter nach Maria Eck und schließt ab mit einem Highlight, dem finalen Wadensprenger, dem Hochfelln (1674 m ü. NN). Kumuliert macht das saftige 4500 hm quer durch die Chiemgauer Alpen. Die Wegbeschaffenheit wechselt zwischen Forstwegen, schmalen Wanderwegen bis hin zu steilen Alpensteigen.

Nach wenigen Kilometern beginnt schon der erste Trail Abschnitt. Mit zunehmender Begeisterung in schnellem Lauftempo jagen wir mit einer kleinen Gruppe die noch relativ flachen Trails entlang und ich genieße das in vollen Zügen. Bis km 18!

Foto: chiemgauer100.de

Foto: chiemgauer100.de

Mit ordentlichem Schwung in den Beinen knall ich volles Ballett mit dem linken Fuß gegen eine Wurzel. Laut schreiend Fluche ich ein paar Meter vor mich hin und nach dem ersten Schock geht’s weiter. Im Nachhinein stellt sich raus, dass ich mir dabei die kleine Zehe gebrochen hab. An dieser Stelle bitte ich um etwas Mitleid.

Nach der Raffner Alm bei km 29 treffe ich auf Miriam. Sie wagt ihren ersten Ultra und die nächsten 50 km verfliegen beim Quatschen für uns fast mühelos. Leider hab ich sie gegen Ende bei einer außerplanmäßigen Wasch und Abkühlpause in einem Gebirgsbach verloren.

Die Kommunikation zwischen den „auswärtigen“ Läufern und den „einheimischen“ Helfern ist stellenweise lustiger als bei jeder Comedy Sendung. Einige wissen ja von mir dass ich kein Deutscher bin sondern Oberbayer. Daher spreche ich neben meiner deutschen Zweitsprache auch Bayrisch. Als Miriam nach ihrem DropBag fragt hat der arme Kerl vom Kontrollpunkt nur Fragezeichen im Gesicht stehen. „Wos mägst? „fragt er nach. Sie wieder „Na die Tüten“ Er: „Diddn?“ Sie: „Mein Beutel mit den Sachen“ Er: „wos fir Sachan?“ Jetzt hat Miriam die Fragezeichen im Gesicht und gestikuliert mit den Händen. Ich will grad anfangen zu helfen, aber die Situation klärt sich und der Helfer zeigt ihr die Richtung mit den Worten „Ahh, do drennddn de Beidl mit dem Zeig drinna“. Göttlich die Gesichter bei diesem Dialog zu beobachten. Das ist gelebte Integration auf beiden Seiten.

Die Verpflegungsstellen sind reichlich bestückt. Iso, Wasser, Riegel, Nüsse, Bananen und vieles mehr. Ich entscheide mich natürlich für Butterbreze und Cola-Bier. Zwischendurch mal einen Mix aus M&M mit Gummibären. Die perfekte Kombi. Einfach mal versuchen. Da kannst rennen wie ein Stier.

Manche Verpflegungsstellen sind in der Nähe oder sogar auf Almen. Es kann also sein dass mal eine Kuh im Weg steht die man wegschieben muss um vorbei zu kommen. Riegel haben sie mir aber keine weggefressen. Auf die Butterbrezen bilde ich mir ein haben sie aber schon bissl geschielt. Berührungsangst braucht man aber keine haben. Die sind alle brav gewesen.

Andere Verpflegungsstellen sind in Garagen untergebracht oder in Wohnmobilen. Eines haben sie aber gemeinsam: Sakrisch Guat und Sau freindlich

Was bei mir nicht ganz so gut geklappt hat war die GPS Ortung. Ich selber kann es schlecht beurteilen weil ich ja gelaufen bin, aber meine „Follower“ haben mich zwischendurch angeblich beim Baden in Marokko und auf dem Basar in Mumbay erwischt. Entweder bin ich zu doof das GPS Gerät richtig zu tragen oder die Berge stören das Signal manchmal zu stark. Ist in solchen Gegenden eben nicht ganz so einfach. Als groben Anhalt aber ausreichend.

Von der Schönheit der Natur und ihrer wundervollen Stille die sie mitbringt, beginne ich lieber nicht mehr zu philosophieren sonst werden es noch weitere 3 DinA4 Seiten mehr. Ich sage nur, dass ich schon lange nicht mehr so entspannt 100km zurückgelegt habe.

Meine Einschätzung bezüglich der Zielzeit liegt von Anfang an bei ca. 15-16 Stunden. Das Primär Ziel ist jedoch nach dem Zieleinlauf im Hotel noch einen Kaiserschmarren zu essen. Und das wird mit jeder Minute Richtung Abend zunehmend schwieriger. Nach dem Schuhwechsel bei km 42 werden an der Kontrollstelle bei km 74 nur die Socken nochmal gewechselt und nach einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass schon wieder Gas geben angesagt ist.

Das fällt mir allerdings gar nicht so leicht wenn ich Richtung Hochfelln blicke und weitere 1000 Höhenmeter sehe die es noch zu bewältigenden gilt.

Kurz vor dem Erreichen des Gipfels fällt mir dann ein, dass ich das Ding ja auch wieder runter muss. Da nehm ich mir lieber noch ein paar Minuten mehr Pause am Gipfel und genieße die Aussicht bevor der bittere und langsam schmerzhafte Abstieg beginnt. Es sieht bestimmt witzig aus, aber das letzte Stück bergab ist eine ewig lange Forststraße. Ich kann nicht mehr vorwärts laufen weil mir die Oberschenkel so wehtun, also lauf ich das Stück rückwärts hinunter.

Pünktlich und mit ordentlich Hunger erreiche ich stolz und überglücklich um 20:28 Uhr das Ziel. Blöd ist jetzt nur dass die Küche im Hotel schon geschlossen hat. Getrieben vom Kaiserschmarren Hunger frage ich im Zielbereich einfach mal frech den Wirt vom Sportheim ob er für mich nochmal den Herd anschmeißt. Ob es geklappt hat darf ich leider nicht verraten weil er nur noch ein paar Eier im Kühlschrank hat. Aber der Mann hat was gut bei mir;-)

Nach einem köstlichen Kaiserschmarren.. Ups.. torkle ich mit vollem Bauch noch zur Massage und so bekommt der Lauf einen perfekten und entspannten Abschluss.

Ganz besonders freut mich, dass ich zweimal meinen Papa an der Strecke sehen kann, der Gott sei Dank seinen kürzlich erlittenen Schlaganfall gut überstanden hat und zum Anfeuern mitgekommen ist.

Am Sonntagmorgen findet noch die Siegerehrung statt. Kurzweilig aber trotzdem mit der entsprechender Würdigung der Leistungen werden die Sieger gekürt und die Pokale übergeben. Leer geht hier fast keiner heim. Nach der Ehrung der Sieger werden unter allen Finishern Sachpreise der Sponsoren verlost. Ich bin überrascht und freue mich für jeden Gewinner.

Man spürt an allen Ecken und Enden dass dieser Lauf von einem „Läufer“ und nicht von einem geldgierigen Veranstalter geplant wird. Und diese Planung wurde von hoch motivierten Helfern in einen spürbar liebevollen Lauf umgesetzt.

Der Chiemgauer 100 km Ultra Berglauf ist ein harter Brocken. Das zeigt auch die (für mein Geschmack) hohe Abbrecher und Abkürzer Quote. Wunderschön ist er allemal. Das muss man sich aber hart erarbeiten. Ein Sprichwort lautet; „Ich sage dir nicht, dass es leicht wird. Ich sage dir dass es sich lohnen wird!“

Und das schärfste an der ganzen Geschichte ist der Preis. Das komplette Abenteuer ist für 50€ im Prinzip geschenkt. Nudelparty mit Getränk, Verpflegung auf der Strecke, Finisher Shirt, Massage und die Verlosung von Sachpreisen. Wer einen ähnlichen Lauf zu diesen Konditionen kennt soll sich bitte sofort bei mir melden. Ich glaube nämlich, und damit möchte ich diese Geschichte beenden, dieser Lauf ist einzigartig.

Bericht von Florian Bachmaier
Fotos von Florian Bachmaier und Veranstalter chiemgauer100.de

TKN-Ergebnisse

12. Platz Männer | Florian Bachmaier in 15:38:13 Stunden
20. Platz Männer | Armin Roucka in 16:41:00 Stunden

Weitere Information
Veranstalter
Florian Bachmaier

03.08.2016